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Fotografie als Handwerk

Das Fotoatelier Walter Giebel in Lorsch

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Zwischen Alltag und Erinnerung: Wie ein Kleinstadt-Fotoatelier das Leben der 1960er-Jahre dokumentiert.
Im hessischen Lorsch ließen sich in den 1960er-Jahren viele Bewohnerinnen und Bewohner in einem kleinen Studio fotografieren – aus besonderen Anlässen oder einfach, um Erinnerungen festzuhalten.


Die Aufnahmen aus dem Atelier von Walter Giebel zeigen nicht nur Gesichter und Posen, sondern sind ein anschauliches Beispiel dafür, wie gerade die Gebrauchsfotografie einen aufschlussreichen Ausschnitt deutscher Alltagsgeschichte bewahren kann – mit kulturhistorischen Informationen, die sich erst aus der zeitlichen Distanz erschließen.


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Das Atelier als Spiegel der Gesellschaft
Im Fotoatelier Walter Giebel posierten Menschen vor neutralem Hintergrund oder einem Faltenvorhang – entweder für eine Nahaufnahme oder eine Ganzkörperansicht. Die fertigen Bilder fanden ihren Platz in Bilderrahmen, Alben oder dienten als Pass- und Führerscheinfotos.


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Die Anlässe waren vielfältig: der erste Schultag, Kommunion, Konfirmation, Hochzeit. Vor der Kamera standen Paare, Babys, Familien, Menschen in Uniform, im Fastnachtskostüm oder mit Musikinstrument. Als Requisiten dienten ein modischer Teppichboden, gehäkelte Tischdecken, Blumenvasen, Sessel und ein Beistelltisch


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Mode, Mimik und Migration

Die Fotos dokumentieren nicht nur Mode und Physiognomie, sondern auch die Art und Weise, wie sich Menschen selbst darstellen wollten – mitten im wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegszeit.
Auf manchen Negativhüllen finden sich italienische oder spanische Namen. Vermutlich handelt es sich um Mitglieder der ersten Generation von Arbeitsmigranten – damals als ‚Gastarbeiter‘ bezeichnet –, die sich im Sonntagsanzug fotografieren ließen, möglicherweise als Gruß an ihre Familie in der Heimat.


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Walter Giebel – Fotografenmeister mit Geschichte
Walter Giebel wurde am 9. Januar 1898 in Bad Kudowa in Schlesien geboren. Nach dem Tod seiner Eltern nahm ihn sein Bruder Arthur Giebel auf, der bereits mehrere Fotogeschäfte betrieb. Bei ihm lernte Walter das Handwerk und kam nach dem Zweiten Weltkrieg nach Lorsch, wo er das Studio „Foto-Giebel“ in der Rheinstraße 15 gründete.
Er führte das Atelier bis zu seinem Tod am 14. Oktober 1978. Danach übernahm seine Tochter das Geschäft für einige Zeit.
(Informationen von Herrn Thomas Kahle, einem Verwandten des Fotografen)


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Handwerk, Technik und Archiv
Im Studio arbeitete Giebel mit einer Großbildkamera im Format 6,5 × 9 cm und 10 × 15 cm auf Planfilm. Nur bei besonderen Anlässen – etwa Beerdigungen – fotografierte er auch außerhalb des Studios, dann mit Mittel- oder Kleinbildkameras.
Die Schwarz-Weiß-Filme entwickelte er selbst vor Ort. Farbaufnahmen hingegen, die selten vorkamen, wurden an externe Labore gesendet. Meist entstand pro Auftrag nur ein einziges Negativ; nur bei Hochzeiten wurden Serien mit mehreren Posen aufgenommen.
Die Negative wurden akribisch archiviert – in zugeschnittenen Briefumschlägen, beschriftet mit Name und Auftragsnummer. Auch Bestellmenge und -größe wurden notiert.


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Vom Archiv auf den Flohmarkt – und zurück
Nach der Schließung des Studios wurden die Negative offenbar entsorgt und tauchten später auf dem Berliner Flohmarkt am Ostbahnhof auf. Dort entdeckte sie der Fotograf und Sammler Reinhard Krause.
Er fand 35 Schachteln mit fortlaufend nummerierten Negativen – beginnend bei Nummer 4000, endend bei 7999. Auf Basis einzelner Datierungen lässt sich der Aufnahmezeitraum auf 1962 bis 1967 eingrenzen. Fast die gesamte Produktion dieser Jahre blieb erhalten – lediglich wenige Nummern fehlen.


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Digitale Sicherung für die Zukunft
Das Material befindet sich insgesamt in sehr gutem Zustand. Einige Negative zeigten jedoch Spuren nicht archivfester Hüllen. Sie wurden daher in säurefreies, archivgerechtes Material umgelagert, wobei die Informationen von Hüllen und Schachteln erhalten blieben.
Nur wenige entwickelte Abzüge – meist im Passbildformat – sowie eine Serie von Hochzeitsfotos sind erhalten. Sie zeigen, wie die fertigen Produkte des Studios aussahen.
Rund 1.300 Negative wurden exemplarisch digitalisiert. Sie liegen heute in hochauflösenden Scans und als Positive vor – ein beeindruckendes Dokument familiärer Erinnerungskultur und fotografischen Handwerks.


  Mehr Bildbeispiele gibt es in diesen Magazinen als PDF  download:

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https://www.reinhard-krause.de/giebel1.pdf

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https://www.reinhard-krause.de/giebel2.pdf

Verantwortlich und © 2025 Reinhard Krause

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E-Mail: mail(at)reinhard-krause.de
Text: Reinhard Krause
    Bilder: Sammlung Reinhard Krause